Abgestürzt

January 13, 2010

Es stellt eine Verletzung der Aufsichtspflicht dar, wenn es 8-jährigen Kindern gestattet wird, alleine einen schwer einsehbaren Waldweg zwischen einem Omnibusparkplatz und einer Gaststätte zu begehen, wenn sich unweit des Waldweges Steilabbrüche sowie eine Absprungrampe für Drachenflieger befinden. Das gelegentliche Abgehen des Waldweges durch zwei Aufsichtspersonen reicht nicht aus, ebenfalls nicht die Beobachtung des Waldweges von der Außenterrasse der Gaststätte, wenn der Weg von dort aus nur auf einer vergleichsweise geringen Strecke einsehbar ist.
Allerdings ist einem knapp 9-jährigen Kind, das trotz Verbotes von dem Waldweg abweicht, in eine Schlucht einsteigt und dort stürzt und sich verletzt, ein Mitverschulden (hier: 2/3) anzulasten.
LG Bückeburg vom 25.03.1999, 1 S 300/98

Anmerkung: Der Schadenfall passierte bei einem von einer Gemeinde organisierten Ausflug im Rahmen einer sog. “Ferienpaß-Aktion”. Sämtliche Kinder wurden angewiesen, auf dem Weg vom Omnibusparkplatz zu einer mehrere 100 Meter entfernten Gaststätte auf dem Waldweg zu bleiben. Zwei Aufsichtspersonen gingen den Weg dabei mehr-ach ab. Ansonsten beobachteten sie den einsehbaren Teil des Waldweges von der Außenterrasse der Gaststätte aus. Ein knapp 9-jähriger Junge verließ trotzdem den Weg und stieg in eine Schlucht, die nur ca. 50 m seitlich des Weges begann. Dort stürzte er und zog sich Verletzungen zu. Das Urteil überspannt meines Erachtens die Anforderungen an die Aufsichtsführung in der konkreten Situation, so dass die gegen die Gemeinde gerichtete Klage vollständig hätte abgewiesen werden müssen. Von einem knapp 9-jährigen Jungen kann erwartet werden, dass er für den Einzelfall erteilte Verbote beachtet und das Risiko eines Einstiegs in steileres Gelände erkennen kann. Zwar reicht das Beobachten des einsehbaren Teils des Waldweges von der Terrasse der Gaststätte sicherlich nicht aus, durch die mehrfachen Kontrollgänge dürfte aber der Aufsichtspflicht genüge getan sein)