Es stellt eine Verletzung der Aufsichtspflicht dar, wenn bei Übernachtungen einer Jugendgruppe keine Betreuungsperson zur gelegentlichen Kontrolle abgestellt wird. Eine ordnungsgemäße Betreuung hätte es (im vorliegenden Fall) erfordert, daß ein Betreuer die Nacht hindurch in der Unterkunft geblieben wäre, um durch Kontrollen alkoholischen Exzessen vorzubeugen. Das Alkoholverbot, das anfangs den Teilnehmern mündlich erteilt worden ist, reicht hierfür nicht aus. Dazu wären auch im weiteren Verlauf der Nacht noch gelegentliche Kontrollen auf den Zimmern erforderlich gewesen, jedenfalls solange, wie noch nicht allgemeine Ruhe eingekehrt war.
OLG Hamm – 6 U 78/95 – Urteil vom 21.12.95
Zimmerkontrollen
January 13, 2010Mikado
January 13, 2010Bei dem Spiel „Mikado“ handelt es sich, jedenfalls soweit es von Kindern unter 7 Jahren gespielt wird, insoweit um ein gefährliches Spielzeug, als der normale Spielverlauf dazu führt, dass die als Spielmaterial dienenden spitzen Holzstäbchen ruckartig aus dem aufzulösenden Gemenge der liegenden Stäbchen nach oben herausgeschleudert werden. Aufsichtspflichtige genügen deshalb, wenn sie schon dieses Spiel Kindern in diesem Alter überlassen, ihrer Aufsichtspflicht nur, wenn sie diese nicht nur darauf hinweisen, dass stets ein genügender Abstand zwischen den Gesichtern der Kinder einzuhalten ist, sondern wenn sie auch die Einhaltung dieses Gebots ununterbrochen überwachen. Verliert ein noch nicht ganz 7 Jahre altes Kind bei diesem Spiel praktisch ein Auge (Reduzierung der Sehfähigkeit bei diesem Auge auf 5/50 und Verlust des räumlichen Sehens), so erscheint ein Schmerzensgeld von 5.000,00 EUR angemessen.
OLG Nürnberg – 1 U 9/74 – Urteil vom 07.03.75
Kleiderbügel
January 13, 2010Wird ein 15-Jähriger beim wechselseitigen Werfen mit Kleiderbügeln durch einen 10-Jährigen verletzt, trifft ihn aufgrund seines höheren Alters und der damit verbundenen größeren Einsichtsfähigkeit ein überwiegendes Verschulden (hier 75 %). Es stellt keine Verletzung der Aufsichtspflicht dar, wenn Eltern eines 10-jährigen Jungen diesen in ihrem Haus unbeaufsichtigt mit einem 15-jährigen Jungen spielen lassen.
OLG Köln – 19 U 19/95 – Urteil vom 27.10.95 8.5.
Kleinfeldtor
January 13, 2010Ein Jugendbetreuer handelt fahrlässig, wenn er seine ca. 12-jährigen Kinder, mit denen er ein Jugendturnier besucht, alleine auf dem Sportgelände spielen läßt, dabei damit rechnen muß, daß die Kinder erneut ein schon vorher als umfallgefährdet erkanntes Kleinfeld-Tor aufsuchen und wenn eines der Kinder sodann beim Umfallen des Tores erschlagen wird.
AG Dachau – 1 Cs 31 Js 30668/96 – Urteil vom 25.8.97
Ertrunken im Schwimmbad
January 13, 2010Es stellt keine Verletzung der Aufsichtspflicht dar, wenn ein zehnjähriger Schüler beim Ferienlager im Nichtschwimmerbecken einen Ertrinkungsunfall erleidet. Gerade der Aufenthalt in einem Ferienlager ohne Anwesenheit der Eltern nur unter Betreuung durch junge Erwachsene soll die Erziehung zur Selbständigkeit in besonderem Maße fördern. Hier genügt es bei einem Schwimmbadbesuch, daß die Betreuer sich an Schwerpunkten aufhalten und freiwillige Gruppen von Kindern um sich scharen, denen sich jedes Kind nach seinem Belieben anschließen kann, auch wenn es hierdurch ermöglicht wird, daß sich einzelne oder mehrere Kinder einer Überwachung und Kontrolle entziehen können. Wenn zu der Gruppe auch Nichtschwimmer gehören, müssen die Betreuer durch Anweisung und Kontrolle sicherstellen, daß keines der Kinder das Schwimmerbecken benutzt.
OLG Koblenz – 1 U 1278/90 – Urteil vom 02.02.94
Spiel mit dem Feuer
January 13, 2010Nach der höchstrichterlichen Rspr. (vgl. BGH NJW 1983, 2821) gebietet die Vielzahl der gerade durch kleinere Kinder verursachten Brände die Anlegung eines strengen Maßstabes an die Aufsichtspflicht. Das Risiko, das von Kindern für unbeteiligte Dritte ausgeht, soll in erster Linie von den Aufsichtspflichtigen getragen weden. Die Aufklärung der zu Beaufsichtigenden über die Gefahren der Verwendung von Streichhölzern oder Feuerzeugen und die Kontrolle über einen etwaigen Gebrauch von Zündmitteln entheben die Aufsichtspflichtigen nicht der Verantwortung dafür, die Möglichkeiten der Besitzerlangung durch die zu Beaufsichtigenden im Rahmen des Zumutbaren zu unterbinden.
OLG Düsseldorf – 22 U 189/90 – Urteil vom 23.11.90
Mit der vorstehenden Entscheidung knüpft das OLG Düsseldorf an die strenge Rspr. des BGH (Urt. v. 29.05.1990 – VI ZR 205/89 -VersR 1990, 1123; Urt v. 17.05.1983 – VI ZR 263/81 – VersR 1983, 734; Urt v. 10.07.1984 – VI ZR 273/82 – VersR 1984, 1986; Urt. v. 01.07.1986 – VI ZR 214/84 – VersR 1986, 210) zur Aufsichtspflicht gegenüber brandverursachenden Kindern an.
In Erfüllung der Aufsichtspflicht müssen die Eltern ihr minderjähriges Kind eindringlich über die Gefahren des Spielens mit Feuer belehren und auch streng darauf achten, daß dieses nicht unerlaubt Streichhölzer oder andere Zündmittel an sich bringt. Bei einem fast acht Jahre alten Kind erfordert die Aufsichtspflicht der Eltern insoweit ein hohes Maß an Sorgfalt und Umsicht.
OLG Düsseldorf – 2 U 64/90 – Urteil vom 14.09.90
Eine tägliche Kontrolle der Taschen ihres Kindes (nach Feuerzeug und/oder Streichhölzern, Anm. d. Autors) ist von den Eltern nicht zu verlangen. Grundsätzlich müssen Eltern ihre Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren vielmehr nur dann derart auf den Besitz von Streichhölzern oder Feuerzeugen kontrollieren, wenn dazu ein besonderer Anlaß besteht. Dieser kann beispielsweise darin bestehen, daß bei dem Kind schon einmal Streichhölzer gefunden wurden, oder daß das Kind eine besondere Neigung zum Zündeln zeigt o.ä.
BGH – VI ZR 214/84 – Urteil vom 01.07.86
Für die elterliche Aufsichtspflicht zur Abwehr von Gefahren, die für Dritte durch unvorsichtigen Umgang eines normal entwickelten, beinahe 12 Jahre alten Jungen mit Zündmitteln drohen, gelten nicht in allem dieselben Maßstäbe, die bei der Aufsichtspflicht für kleinere, etwa sieben oder acht Jahre alte Kinder heranzuziehen sind.
BGH – VI ZR 117/92 – Urteil vom 19.01.93
Beaufsichtigung im Straßenverkehr
January 13, 2010Mit einer hinreichend allgemeinen Belehrung des Kindes über verkehrsgerechtes Verhalten sind die Anforderungen an eine gehörige Beaufsichtigung des Kindes noch nicht erfüllt. Der den Eltern obliegende Entlastungsbeweis (§ 832 BGB) setzt vielmehr voraus, dass eine ausreichende Beaufsichtigung im konkreten Fall nachgewiesen wird. Es ist in der Rechtsprechung allerdings anerkannt, daß die Teilnahme am Straßenverkehr für Kinder mit ihren Fahrrädern und Rollern auch bereits im frühesten Alter üblich und grundsätzlich unbedenklich ist, sofern die Kinder nur ihr Fahrzeug genügend beherrschen. In solchen Fällen haben Eltern ihrer Aufsichtspflicht schon dann genügt, wenn sie ihre Kinder über die Verkehrsregeln belehrt und ihnen die Gefahren angezeigt haben, die Fahrrad und Roller für die übrigen Verkehrsteilnehmer mit sich bringen. Vor allem kann eine ständige Beaufsichtigung nicht ohne Anlaß, etwa bei Neigung des Kindes zu Unbesonnenheit und dummen Streichen, verlangt werden. Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch nur auf Kinder im schulpflichtigen Alter zwischen sieben und zehn Jahren, sie kann auf fünf- bis sechsjährige Kinder, die dem Kindergarten noch nicht entwachsen sind, nicht angewendet werden. Gerade durch das Lernen in der Schule werden die Kinder allgemein mit eigenen Pflichten vertraut gemacht und an selbständiges Denken gewöhnt, sowie im Besonderen noch dazu angehalten, im Straßenverkehr sorgsam zu sein.
OLG Köln – 9 U 211/67 – Urteil vom 05.04.68
Aufsichtspflicht im privaten Rahmen
January 13, 2010Erlauben Eltern die gegenseitigen Besuche ihrer Kinder in der Wohnung, so besteht noch kein stillschweigender Vertrag zur Übernahme der vollen Aufsichtspflicht beim Spielen.
BGH, NJW 1968, 1874
In der Einladung von Kindern zu einer Geburtstagsfeier des eigenen Kindes liegt ein Angebot der Eltern zur vertraglichen Übernahme der Aufsicht über die eingeladenen Kinder vor.
OLG Celle, NJW-RR 1987, 1384
Es stellt keinen Verstoß gegen die Aufsichtspflicht dar, wenn die Aufsichtsperson ein fünfjähriges Kind zusammen mit anderen Kindern allein vor dem Haus spielen läßt, auch wenn sie im Haus bleibt. Das gilt auch dann, wenn es sich um einen Parkplatz vor einer Gastwirtschaft handelt.
AG Bersenbrück – 4 C 1004/92 – Urteil vom 03.03.93
Keine Verletzung der Aufsichtspflicht, wenn die Mutter eines vierjährigen Kindes die Großmutter während ihrer Abwesenheit mit der Aufsicht beauftragt. Bei einem nicht eingefriedeten Grundstück muß im Rahmen der Aufsichtspflicht für ein vierjähriges Kind in Intervallen von 10 bis 15 Minuten Augenkontakt hergestellt werden. Bei sechsjährigen Kindern reichen Überwachungsintervalle von 30 Minuten oder mehr, da diesen infolge ihres Alters und ihrer Entwicklung ein entsprechender Freiraum zur Entwicklung zur Selbständigkeit zuzubilligen ist.
AG Ansbach – 1 C 624/92 – 02.0
Ein knapp 9-jähriges, normal entwickeltes Kind, das im Freien spielt, muß sich nicht im unmittelbaren Aufsichtsbereich aufhalten, der ein jederzeitiges Eingreifen des Aufsichtspflichtigen ermöglicht. Vielmehr ist der Aufsichtspflicht Genüge getan, wenn sich der Aufsichtspflichtige über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick verschafft.
BGH in NJW 1984, S. 2574
Berufstätige Eltern, die ihr über vier Jahre altes Kind dessen geistig und körperlich noch rüstigen Großeltern zur Aufsicht überlassen, genügen damit grundsätzlich ihrer Aufsichtspflicht. Die Aufsicht über ein mehr als 4 Jahre altes Kind, das sich auf öffentlichen Straßen befindet, braucht nicht in der Weise ausgeübt zu werden, dass ein jederzeitiges Eingreifen möglich ist.
OLG Celle – 5 U 127/65 – 02.12.65
Zeltlager
January 13, 2010Betreuer eines Zeltlagers für 10-13-jährige Kinder genügen ihrer Aufsichtspflicht nicht, wenn Sie die Kinder zu Beginn des Zeltlagers einmalig ermahnen, keine Straftaten zu begehen und ansonsten lediglich anordnen, dass die Kinder das Zeltlager nur mindestens in Dreiergruppen und nach vorheriger Abmeldung verlassen dürfen. Vielmehr sind Gebote und Verbote regelmäßig “aufzufrischen”, da damit gerechnet werden, dass muss gerade in der Atmosphäre eines Ferienlagers auch noch so eindringliche Verbote schnell verdrängt bzw. vergessen werden.
LG Landau/Pfalz vom 16.6.2000, 1 S 105/00
Anmerkung: Ein nur auf den ersten Blick strenges Urteil, auch wenn in der I.Instanz die gegen die beiden verantwortlichen Betreuer gerichtete Klage vom AG Landau/Pfalz noch abge-wiesen wurde. Insgesamt sechs Kinder hatten an zwei Tagen eines Pfadfinder-Zeltla-gers bei insgesamt 23 Fahrzeugen die Markenembleme ab- bzw. herausgebrochen und dabei einen hohen Schaden verursacht. Das LG erachtete die Aufsichtsführung, die sich auf die o.g. Maßnahmen beschränkt hat, als zu gering. Auch wenn keines der Kinder im Verlauf des Zeltlagers Auffälligkeiten gezeigt hat, so hätten die Betreuer doch ihre lediglich einmal geäußerten Verbote bei Gelegenheit der unbeaufsichtigten Ausgänge noch einmal erneuern müssen. Es sei gerade hierbei damit zu rechnen gewesen, dass die Kinder Verbote und Gebote missachten, verdrängen oder vergessen.
Abgestürzt
January 13, 2010Es stellt eine Verletzung der Aufsichtspflicht dar, wenn es 8-jährigen Kindern gestattet wird, alleine einen schwer einsehbaren Waldweg zwischen einem Omnibusparkplatz und einer Gaststätte zu begehen, wenn sich unweit des Waldweges Steilabbrüche sowie eine Absprungrampe für Drachenflieger befinden. Das gelegentliche Abgehen des Waldweges durch zwei Aufsichtspersonen reicht nicht aus, ebenfalls nicht die Beobachtung des Waldweges von der Außenterrasse der Gaststätte, wenn der Weg von dort aus nur auf einer vergleichsweise geringen Strecke einsehbar ist.
Allerdings ist einem knapp 9-jährigen Kind, das trotz Verbotes von dem Waldweg abweicht, in eine Schlucht einsteigt und dort stürzt und sich verletzt, ein Mitverschulden (hier: 2/3) anzulasten.
LG Bückeburg vom 25.03.1999, 1 S 300/98
Anmerkung: Der Schadenfall passierte bei einem von einer Gemeinde organisierten Ausflug im Rahmen einer sog. “Ferienpaß-Aktion”. Sämtliche Kinder wurden angewiesen, auf dem Weg vom Omnibusparkplatz zu einer mehrere 100 Meter entfernten Gaststätte auf dem Waldweg zu bleiben. Zwei Aufsichtspersonen gingen den Weg dabei mehr-ach ab. Ansonsten beobachteten sie den einsehbaren Teil des Waldweges von der Außenterrasse der Gaststätte aus. Ein knapp 9-jähriger Junge verließ trotzdem den Weg und stieg in eine Schlucht, die nur ca. 50 m seitlich des Weges begann. Dort stürzte er und zog sich Verletzungen zu. Das Urteil überspannt meines Erachtens die Anforderungen an die Aufsichtsführung in der konkreten Situation, so dass die gegen die Gemeinde gerichtete Klage vollständig hätte abgewiesen werden müssen. Von einem knapp 9-jährigen Jungen kann erwartet werden, dass er für den Einzelfall erteilte Verbote beachtet und das Risiko eines Einstiegs in steileres Gelände erkennen kann. Zwar reicht das Beobachten des einsehbaren Teils des Waldweges von der Terrasse der Gaststätte sicherlich nicht aus, durch die mehrfachen Kontrollgänge dürfte aber der Aufsichtspflicht genüge getan sein)