„Feste feiern“ in der KiTa: Sommerfeste, Spielfeste, Weihnachtsfeiern

January 19, 2010

Ein Beitrag von RA Stefan Obermeier für die Zeitschrift KiTA

Aufsichtspflicht und Verkehrssicherungspflicht der KiTa bei besonderen Veranstaltungen außerhalb des regulären Betriebs der Einrichtung

Dass dem KiTa-Träger sowie den dort tätigen Mitarbeiterinnen die Aufsichtspflicht für die angemeldeten und anwesenden Kinder während des regulären Betriebs der Einrichtung obliegt, wird von allen Beteiligten – bis auf gelegentliche Grauzonen am Beginn sowie am Ende der täglichen Betreuungszeiten – nicht in Frage gestellt. Missverständnisse und handfeste rechtliche Probleme können sich dagegen bei Veranstaltungen außerhalb des regulären Betriebes ergeben, sei es bei Sommerfesten oder Weihnachtsfeiern für die in der Einrichtung angemeldeten Kinder und deren Familienmitglieder sowie bei offenen Veranstaltungen (Tag-der-offenen-Türe, Informationstag), die sich auch an Interessenten außerhalb der Einrichtung richten.

Bei der Vorbereitung und Durchführung derartiger Veranstaltungen gilt es, Situationen zu vermeiden, bei denen sowohl die Eltern der anwesenden Kinder, als auch der Träger sowie die Mitarbeiter der Einrichtung vom Bestehen der Aufsichtspflicht auf der jeweils anderen Seite ausgehen. Wenn es dann zu Schadensfällen unter Beteiligung von Kindern kommt, entsteht nicht selten Streit darüber, wer für diese Schäden haftet.

Dieser Artikel befasst sich den unterschiedlichen Voraussetzungen des Entstehens von Aufsichtspflicht und Verkehrssicherungspflicht des KiTa-Trägers und dessen Mitarbeiter bei Veranstaltungen außerhalb des regulären Betriebes. Der Autor plädiert für eine klare und praktikable Abgrenzung der Verantwortung der KiTa zu den Verpflichtungen der Eltern der anwesenden Kinder.

Eine Ausgangssituation, wie sie nicht selten vorkommt: (1)

Der Kindergarten „Arche Noah“ veranstaltet auf seinem Gelände sein alljährliches Sommerfest, zu dem alle in der Einrichtung angemeldeten Kinder und deren Eltern durch einen Aushang im Eingangsbereich der Einrichtung und mündlich von den Gruppenleiterinnen eingeladen werden. Wie schon in der Vergangenheit, hat auch in diesem Jahr die Leitung der Einrichtung nichts dagegen, dass einzelne Kinder ihre jüngeren oder älteren Geschwister mitbringen. Während des Sommerfestes finden Musik- und Theateraufführungen statt, bei denen die betreffenden Kinder jeweils von ihren Gruppenleiterinnen betreut werden. Nach dem Ende der jeweiligen Aufführungen gehen die Kinder wieder zu ihren Eltern zurück oder spielen auf dem weitläufigen Gartengelände. Auf diesem gibt es u.a. einen Biergartenbereich, in dem Speisen und Getränke gekauft und verzerrt werden können.

Der 5-jährige Lukas besucht das Sommerfest gemeinsam mit seinen Eltern und seinem 8-jährigen Bruder Bastian, der früher denselben Kindergarten besucht hat. Die Leiterin des Kindergartens heißt in ihrer Begrüßungsansprache die Besucher willkommen, gibt einen kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr und wünscht ansonsten allen ein schönes Fest; Ausführungen zur Aufsichtspflicht während der Veranstaltung werden nicht gemacht.

Im Verlauf des Festes kommt es dann zu folgenden Ereignissen:

  1. Als die Gruppe des 5-jährigen Lukas mit einer kleinen Theateraufführung an der Reihe ist, verabschiedet sich das Kind von den Eltern und geht alleine zum vereinbarten Treffpunkt im Gruppenraum. Auf dem Weg dorthin stößt er auf einen Tisch ein Bierglas um, dessen Inhalt sich über das auf dem Tisch liegende Mobiltelefon einer Besucherin ergießt, das dadurch zerstört wird.
  1. Nach der Theateraufführung geht Lukas nicht gleich – wie mit seinen Eltern vorher vereinbart – zu diesen zurück, sondern begibt sich mit seinem älteren Bruder Bastian, der ihn an der Bühne abholt, zu einem auf dem Grundstück stehenden Klettergerüst, bei dem auch schon andere Kinder spielen. Während des Spielens stürzt Bastian durch eigene Unachtsamkeit vom Klettergerüst und trifft mit der Schulter auf einem Betonfundament des Spielgerätes auf, das ca. 10 cm aus der Fläche des ansonsten dort befindlichen Spielsandes herausragt. Bei dem Aufprall bricht sich der Junge das Schlüsselbein.
  1. Lukas will daraufhin zu den Eltern zurück rennen, stolpert dabei aber über einen Gartenschlauch, der für die Wasserversorgung der Getränkespüle am Boden quer über das Gelände gelegt wurde. Zwischen den Tischen und den herumstehenden Besuchern war der Schlauch für das Kind nicht erkennbar. Bei dem Sturz fällt der Junge so unglücklich auf das Gesicht, dass ein Schneidezahn heraus bricht.

Zugegeben, die Situation ist natürlich dramatisch konstruiert und wird sich wie beschrieben in der Praxis kaum ereignen. Allerdings lassen sich hierbei gut die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten der beteiligten Personen und Institutionen sowie die möglichen rechtlichen „Stolperstellen“ herausarbeiten.

„Wenn der Deutsche hinfällt, dann steht er nicht auf, sondern sieht sich um, wer schadensersatzpflichtig ist.“

So lautet ein Sprichwort aus dem Jahr 1919 von Kurt Tucholsky (1890-1935) der für die damalige Zeit unerwartet deutlich vorhergesehen hat, wohin sich Rechthaberei und Anspruchsdenken in der Gesellschaft in Zukunft noch entwickeln werden. Und in der Tat ist es so, dass – anders als vielleicht noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren – sich fast jede Person, die einen Schaden erleidet, früher oder später die Frage stellt, ob nicht irgendjemand hierfür verantwortlich gemacht werden kann. Das Reklamieren und Durchsetzen von Schadensersatzansprüchen gehört in begründeten Fällen sicherlich zum guten Recht eines jeden Geschädigten, oftmals wird man aber das Gefühl nicht los, dass es allein dazu dient, das eigene Fehlverhalten zu relativieren und/oder das Geschehen finanziell erträglich zu verarbeiten.

Tatsache ist, dass erheblich bereitwilliger die Gerichte mit der Klärung vermeintlicher Ansprüche befasst werden, als dies noch früher der Fall war. Gefördert wird dies sicherlich auch durch den Umstand, dass die Träger von Einrichtungen – die im Falle der mit einem Rechtsstreit verbundenen negativen Publicity um den Ruf fürchten – deutlich eher bereit sind, auch in zweifelhaften oder gar unbegründeten Fällen kulanzweise Schadensersatz zu leisten.

Es ist somit auch in den geschilderten Fall zu erwarten, dass sich die Eltern der beiden verletzten Kinder und auch die Eigentümerin des beschädigten Handys darüber Gedanken machen, ob Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche bestehen und erfolgreich durchgesetzt werden können.

Keine Verbindung: Das zerstörte Mobiltelefon

Das Mobiltelefon der Besucherin wurde zumindest mittelbar durch das Verhalten des 5-jährigen Lukas, der versehentlich das Getränkeglas umgeworfen hat, zerstört.

Lukas haftet für den eingetretenen Schaden jedoch unter keinen Umständen, da nach § 828 Abs. 1 BGB Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, generell für von ihnen verursachte Schäden nicht verantwortlich sind. Aus diesem Grund ist im Übrigen – was oft verkannt wird – eine von den Eltern kleiner Kinder abgeschlossene Haftpflichtversicherung, die grundsätzlich auch das Verhalten der im Hausstand lebenden Kinder mit einschließt, nicht eintrittspflichtig.

Ersatzansprüche der geschädigten Besucherin sind daher nur denkbar unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Aufsichtspflicht über das Kind Lukas. In Frage käme hier sowohl eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern (nach § 832 Abs. 1 BGB), als auch des KiTa-Trägers (nach § 832 Abs. 2 BGB), da sich der Schaden anlässlich des Sommerfestes ereignete und sich schon der Gedanke aufdrängt, ob nicht eine von beiden Parteien die Aufsichtspflicht über das Kind verletzt hat.

Im Regelfall unterliegen Minderjährige der Aufsicht ihrer Eltern, §§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB. Eine Zuweisung der Aufsichtspflicht an andere Personen bzw. Organisationen kommt nur durch Gesetz oder im Wege der vertraglichen Übernahme in Betracht. Eine gesetzliche Aufsichtspflicht des KiTa-Tägers besteht nicht, insbesondere existieren für die KiTa´s keine den Länderschulgesetzen sowie den Schulordnungen vergleichbare Regelungen. Dies ist auch sinnvoll, da der Besuch von Kindergärten – anders als bei Schulen – eine freiwillige Angelegenheit ist. Sofern im vorliegenden Fall also keine vertragliche Übernahme der Aufsichtspflicht durch den KiTa-Träger vorliegt, verbleibt es beim gesetzlichen Normalfall der Aufsichtsführung durch die Eltern.

Eine derartige vertragliche Übernahme könnte in der Aufnahme des Kindes Lukas in den Kindergarten gesehen werden, wobei dann aber fraglich ist, ob sich die Aufsichtspflicht des KiTa-Trägers neben den regelmäßigen täglichen Betreuungszeiten auch auf derartige Sonderveranstaltungen erstreckt. Sofern in der Aufnahmebestätigung die Übernahme der Aufsichtspflicht bei derartigen Veranstaltungen nicht ausdrücklich vereinbart wird, ist aber von einer fraglichen Übernahme nicht auszugehen. Dies deshalb, da der Zeitpunkt solcher Veranstaltungen bei der Aufnahme des Kindes in den Kindergarten im Regelfall noch gar nicht feststeht und dort auch – anders als im täglichen Betrieb – die Kinder nicht in ihren Gruppen zusammengefasst und von den eingeteilten Kindergärtnerinnen oder Erzieherinnen betreut werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, da Lukas auf dem Weg zu dem Auftritt seiner Theatergruppe war. An eine Aufsichtspflicht der Gruppenleiterin wäre erst ab dem Zeitpunkt zu denken, ab dem Lukas in den Verantwortungsbereich der Gruppenleiterin kommt, also erst mit dem Erreichen der Bühne bzw. des vereinbarten Treffpunktes der Gruppe vor dem Auftritt. Erst wenn die Gruppenleiterin das Kind wahrgenommen hat, ist sie ja auch in der Lage, es zu beaufsichtigen.

Es verbleibt somit bei der gesetzlichen Aufsichtspflicht der Eltern, allein bei deren Verletzung ist also ein Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit dem zerstörten Mobiltelefon denkbar. Frei nach dem Prinzip „Eltern haften für Ihre Kinder“ wird die Eigentümerin des Mobiltelefons sicherlich die Auffassung vertreten, dass die Eltern für den Schaden aufzukommen haben. Oft übersehen wird dabei aber, dass der Satz richtigerweise heißen müsste „Eltern haften für sich selbst“, denn eine Haftung der Eltern kann sich nur wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht über das Kind ergeben. Eine Einstandspflicht der Eltern für all das, was ihre Kinder anstellen, gibt es nicht.

Vorliegend dürfte – um das Ergebnis vorweg zunehmen – die elterliche Aufsichtspflicht nicht verletzt worden sein, denn der Geschehensablauf, der zu dem Schaden führte, wird für die Eltern nicht vorhersehbar gewesen sein. Nur wenn die Eltern damit rechnen mussten, dass Lukas in der unbeaufsichtigten Zeitspanne zwischen dem Verlassen der Eltern und der Ankunft bei der Theatergruppe Schäden anrichten wird, ist ihnen ein Vorwurf zu machen. Dies könnte z. B. dann der Fall sein, wenn das Kind in vielen Situationen zu unüberlegtem und impulsiven Handeln neigt oder aber wenn sich Lukas speziell an diesem Tag als besonders übermütig, unvorsichtig und schwer belehrbar erwiesen hat. Nachdem der Sachverhalt derartige Informationen nicht gibt, ist davon auszugehen, dass in der konkreten Situation für die Eltern Anhaltspunkte für eine strengere Aufsichtsführung – also z.B. einem Begleiten des Kindes bis hin zum Treffpunkt der Theatergruppe – nicht bestanden und somit das Schadensereignis nicht vorhersehbar war.

Fazit: Weder Lukas selbst, noch seine Eltern oder der Träger des Kindergartens haften für den entstandenen Schaden, auf dem die Geschädigte „sitzen bleibt“.

Hinweis: Eine Haftung ergibt sich auch nicht aus der Veranstaltereigenschaft des KiTa-Trägers, da sich in der konkreten Situation kein spezifisches Risiko der Veranstaltung, auf das der Träger des Kindergartens Einfluss gehabt hätte und das mit einfachen Mitteln zu beseitigen gewesen wäre, realisiert hat. Dass Getränkegläser, insbesondere bei Veranstaltungen mit Kindern, umkippen können, dürfte zum vorhersehbaren allgemeinen (Lebens)Risiko einer derartigen Veranstaltung gehören. Jedem Besucher ist es ein Leichtes, gegen dieses Schadensrisiko selbst vorzusorgen, indem er etwa keine wertvollen Gegenstände im Gefahrenbereich vor gefüllten Gläsern liegen lässt.

Das tut weh: Der Sturz auf das Betonfundament

Eine Haftung der Eltern des verunglückten Kindes wegen Verletzung der Aufsichtspflicht kommt nicht in Betracht, da ein solches Schadensereignis kaum vorhersehbar gewesen sein dürfte; lediglich dann, wenn sich die Eltern bereits vorher mit den Kindern bei diesem Klettergerüst aufgehalten, dabei die Gefahrenstelle erkannt haben und damit rechnen mussten, dass die Kinder später erneut dort spielen würden, ließe sich eine andere Auffassung vertreten. Grundsätzlich aber können Eltern auch für Schäden einzustehen haben, die ihr eigenes Kind selbst erleidet, was insbesondere dann relevant werden kann, wenn die Krankenversicherung, die zunächst für die Heilbehandlung aufkommt, eine Erstattung ihrer Aufwendungen verlangt.

Es besteht keine Verpflichtung der Eltern, sich in jedem Fall einen Überblick über das Gelände, auf dem sich ihre Kinder aufhalten und über die dort befindlichen Gefahren zu verschaffen, insbesondere dann nicht, wenn es sich um das Gelände einer Kinder- und Jugendeinrichtung (Kindergarten, Hort, Schule, Jugendzentrum etc.) handelt, da die Eltern hier grundsätzlich auf eine weitgehende Gefahrenfreiheit vertrauen dürfen.

Ebenfalls haftet der Träger des Kindergartens nicht wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht, da er eine solche nicht übernommen hat. Weder besuchte Bastian zum Unfallzeitpunkt den fraglichen Kindergarten, noch existierte eine Vereinbarung zwischen dem Träger des Kindergartens und den Eltern – weder generell, noch im Einzelfall – zur Übernahme der Aufsichtspflicht während des Sommerfestes.

Achtung Falle!

Allerdings kann eine solche Vereinbarung nicht nur schriftlich und mündlich geschlossen werden, sondern auch durch sog. „Schlüssiges Handeln“, also durch ein voneinander unabhängiges Verhalten der Parteien, aus dem nur der Schluss gezogen werden kann, dass der Veranstalter des Sommerfestes die Aufsichtspflicht über die anwesenden Kinder übernehmen möchte und die Eltern dieses Angebot annehmen. Das könnte z.B. dadurch geschehen, dass in die schriftliche Einladung zu der Veranstaltung – etwa auf einem Aushang in der Einrichtung oder einem Handzettel für die Eltern –  eine Formulierung aufgenommen wird, die bei den Adressaten nur den Schluss zulässt, dass die Kinder dort beaufsichtigt werden. Formulierungen wie z.B. „für die pädagogische Betreuung Ihrer Kinder ist gesorgt“ oder „unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich, mit Ihren Kindern einen spannenden Nachmittag zu verbringen“ werden bei den Eltern – auch ohne dass dort das Wort Aufsicht erwähnt wird – sicherlich ein erhöhtes Vertrauen in die sichere Durchführung der Veranstaltung wecken und können durchaus als ein vertragliches Angebot zur Übernahme der Aufsichtspflicht interpretiert werden.

Es ist daher ganz besonders darauf zu achten, dass in der Einladung zu einer Veranstaltung außerhalb des regulären Betriebes keinerlei Formulierungen verwendet werden, aus denen die Eltern den Schluss ziehen dürfen, dass ihre Kinder dort von den Mitarbeitern der Einrichtung beaufsichtigt werden.

Zur Klarstellung von Anfang an empfiehlt es sich, diesen Umstand in dem grundlegenden Betreuungsvertrag zu regeln, etwa mit einer Formulierung wie

„Den Sorgeberechtigten ist bewusst, dass der Träger der Einrichtung und dessen Mitarbeiterinnen bei Veranstaltungen außerhalb der regulären täglichen Betreuungszeiten wie z.B. Weihnachtsfeiern, Sommerfesten etc., bei denen die Sorgeberechtigten selbst anwesend sein können, keine Aufsichtspflicht übernimmt. Dies gilt nicht für Zeiträume, in denen die Kinder dort im Rahmen ihrer Gruppen an Aufführungen teilnehmen.“

Dagegen haftet im geschilderten Fall der Träger des Kindergartens für den durch den Sturz und die Verletzung des Kindes entstandenen Schaden wegen der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht. Diese verlangt es, eine für die Besucher zugängliche Einrichtung – hier konkret das Klettergerüst – so zu erstellen und zu unterhalten, dass einerseits geltende gesetzliche Vorschriften eingehalten sind sowie andererseits die Einrichtung frei von Mängeln bzw. Defekten ist, deren Existenz und Gefahrenpotential für die Besucher nicht vorhersehbar sind und auf die sie sich nicht einstellen können. Maßstab für die Erkennbarkeit von Gefahrenquellen ist stets der Reifegrad und die Einsichtsfähigkeit der jüngsten in Frage kommenden Besuchergruppe, bei KiTa´s somit im Regelfall Kinder im Alter von 2-3 Jahren. Dabei versteht sich von selbst, dass Kinder dieses Alters nur ganz wenige elementare Gefahrenquellen kennen, zumeist solche, die bei ihnen zu Hause vorkommen und die ihnen von den Eltern frühzeitig vermittelt werden. Auf ein rasches Zurechtfinden in einer zunächst fremden Umgebung darf unter keinen Umständen vertraut werden.

Im fraglichen Fall ragte ein Betonfundament des Klettergerüstes 10 cm über dem Boden hinaus. Dies verstößt gegen die DIN EN 1176, 1177, die für die Errichtung und den Unterhalt von Spielgeräten gelten. Danach muss einerseits unterhalb und in Abhängigkeit von der Gerätehöhe auch seitwärts ab einer Fallhöhe von 1,50 Meter der Fallbereich (definierter Raum, in den Benutzer stürzen können) aus besonders sturzhemmenden Material bestehen, das alle Fundamente um mindestens 20 cm bedecken muss (2). Sofern es sich bei dem gewählten Untergrundmaterial um loses Schüttgut, wie z. B. Sand oder Rindenmulch handelt, ist regelmäßig die Bedeckung zu kontrollieren und ggf. nachzufüllen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass in Bereiche an und unterhalb von Spielgeräten v.a. an Leitern, im Auslaufbereich von Rutschen, im Schwungbereich von Schaukeln, an Stangen etc. das Untergrundmaterial sehr schnell „weggespielt“ wird.

Aus diesem Grund fordert die DIN EN 1176, Teil 7 regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen, bei denen derartige Veränderungen festgestellt werden können. Verpflichtend sind mindestens jährliche Hauptuntersuchungen, die von einer besonders fachkundigen Person vorgenommen werden müssen, dann mindestens monatliche Funktionsprüfungen sowie regelmäßig – in Phasen erhöhter Nutzung tägliche – Sichtprüfungen, die auch von einem Mitarbeiter der Einrichtung erledigt werden können (3). Allein ein Unterlassen dieser Untersuchungen wird noch nicht zu einer Haftung für Unfälle führen, allerdings nehmen die Gerichte oftmals an, dass bei regelmäßigen Untersuchungen Mängel schneller festgestellt und behoben werden können. Wären diese Sichtprüfungen, die auch die ausreichende Bedeckung des Bodens umfassen müssen, ordnungsgemäß durchgeführt worden, wäre das Freilegen des betreffenden Betonfundamentes frühzeitig erkannt worden.

Anders als die Erfordernisse einer richtigen Aufsichtsführung, die sich meist nur aufgrund einer Bewertung von unbestimmten Rechtsbegriffen wie der Vorhersehbarkeit von Schäden sowie der Zumutbarkeit eines bestimmten Handels durch die Aufsichtsperson ergibt, sind die Elemente einer Verkehrssicherung häufig gesetzlich oder durch untergesetzliche Vorschriften wie z.B. die DIN-Normen geregelt. Das hat zwar den Vorteil, dass es verbindliche Regelungen gibt, an die man sich halten kann, allerdings existiert dann aber kein Beurteilungsspielraum für den Träger der Einrichtung, im Einzelfall auch einmal von diesen Regeln abzuweichen. Gerade für die Errichtung und den Unterhalt von Spiel und Sportgeräten existiert eine Fülle von Vorschriften, die zu befolgen sind; darüber hinaus sei nur exemplarisch auf die Erfordernisse des Brandschutzes sowie auf das Verbot hingewiesen, giftige oder gefährliche Pflanzen auf dem Gelände der Einrichtung anzupflanzen (4).

Da Bastian bereits das siebte Lebensjahr vollendet hat, ist möglicherweise an eine Mithaftung über §§ 254, 828 Abs. 3 BGB zu denken. Minderjährige im Alter von sieben bis 18 Jahren trifft an selbst erlittenen Schäden dann ein Mitverschulden, wenn sie bei Entstehung des Schadens die zur Beurteilung der Gefährlichkeit erforderliche Einsicht hatten. Ob diese Voraussetzung vorgelegen hat, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass das 8-jährige Kind schon über eine solche Erfahrung und Erkenntnisfähigkeit verfügte, dass es die Gefährlichkeit des offenen Fundamentes erkennen konnte.

Hier – nämlich bei der Schaffung von Gefahrenbewusstsein bei den Besuchern der Veranstaltung mit der Folge eines evtl. Mitverschuldens – besteht auch die einzige Möglichkeit des KiTa-Trägers, sein Haftungsrisiko zu reduzieren. So können mit der kinderverständlichen Markierung und Absperrung von Gefahrenquellen sowie mit Durchsagen während der Veranstaltung Warnungen, Verbote und Hinweise aufgestellt werden, die die Aufmerksamkeit auch der jugendlichen Besucher fördern und Grundlage für ein Mitverschulden im Schadensfall sein können.

Fazit: Der Träger des Kindergartens als Verkehrssicherungspflichtiger für das Gelände haftet für den dem Kind und auch dessen Eltern entstandenen Schaden, also für etwaige Heilbehandlungskosten, einen stationären Aufenthalt in der Notfallambulanz eines Krankenhauses und für die Kosten von Medikamenten. Ferner ist an die Zahlung eines Schmerzensgeldes zu denken. Ein Mitverschulden ist nicht ersichtlich.

Eine Zahnlücke mehr: Der Sturz über den Wasserschlauch

Bei der Beurteilung dieser Situation lässt sich gut auf das vorher gesagte zurückgreifen: Als Haftungsgrundlage kommt eine Verletzung von Aufsichtspflicht – durch die Eltern bzw. den Träger des Kindergartens – oder der Verkehrssicherungspflicht durch den Träger des Kindergartens in Frage.

Anders als in den beiden vorliegenden Fällen ist hier aber schon die Abgrenzung der bestehenden Aufsichtspflichten problematisch. Sicherlich waren zunächst, also bis zu dem Zeitpunkt, als der 5-jährige Lukas zu der Theatergruppe stieß, die Eltern für das Kind aufsichtspflichtig. Fraglich ist aber, ob mit dem Eintreffen des Kindes bei der von der Gruppenleiterin geführten Theatergruppe nicht die Aufsichtspflicht auf die Gruppenleiterin überging. Dies könnte mit guten Argumenten bejaht werden, da bei der Aufführung der Theatergruppe wieder die ursprüngliche Gruppenorganisation des Kindergartens, wie sie während der regelmäßigen Kindergartenzeiten existiert, besteht und die Eltern während dieser Zeit von der eigenen Aufsichtsführung komplett ausgeschlossen sind.

Zwar existiert nach dem mitgeteilten Sachverhalt keine schriftliche oder mündliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Kindergartens und den Eltern, wem zu welchem Zeitpunkt die Aufsichtspflicht obliegt. Nach der Rechtsprechung liegt aber auch ohne eine solche konkrete Vereinbarung eine Übernahme der Aufsichtspflicht vor, wenn in einer Situation „eine weitreichende Obhut von längerer Dauer und weitreichenden Einwirkungsmöglichkeiten“ über den Minderjährigen besteht (5). Eine klare Definition, bei welcher Zeitspanne und welchen sonstigen äußeren Umständen vom Entstehen der Aufsichtspflicht auszugehen ist, existiert nicht. Die Gerichte vermeiden es tunlichst, hier allgemein gültige Maßstäbe aufzustellen, vielmehr wird jeder Einzelfall gesondert bewertet, wobei es mitunter zu stark differierenden Ergebnissen kommen kann. Im geschilderten Fall könnte einerseits argumentiert werden, dass die Aufführung der Theatergruppe nicht sehr lange dauerte und die Eltern ja anwesend waren, andererseits könnte man die Auffassung vertreten, dass die Gruppenleiterin eine bedeutsame Vertrauensstellung einnimmt und die Eltern daher ganz besonders von einer Beaufsichtigung ihrer Kinder während einer zeit, in der sie keinen Zugriff auf ihr Kind haben, ausgehen dürfen.

Wie ein Gericht in der vorliegenden Situation entscheiden würde, ist aus Sicht des Autors ziemlich offen – veröffentlichte Rechtsprechung zu einem solchen Fall existiert nicht – mit einer gewissen Tendenz dazu, beim Eintreffen des kindes bei der Theatergruppe eine Übernahme der Aufsichtspflicht durch den Träger des Kindergartens anzunehmen.

Wenn danach vom Bestehen von Aufsichtspflicht auszugehen ist, hängt alles weitere davon ab, ob der Träger des Kindergartens auch zum Zeitpunkt des Schadensfalles noch aufsichtspflichtig war oder ob diese Verpflichtung bereits wieder auf die Eltern zurückgegangen war.

Die Rückübertragung der Aufsichtspflicht richtet sich nach denselben Kriterien wie die Übernahme, nämlich zunächst nach den Vereinbarungen der Beteiligten sowie dann, wenn derartige nicht existieren, danach, wann das Kind wieder in den Verantwortungsbereich der Eltern zurückkehrt. Nach dem Sacherhalt existieren schriftliche bzw. mündliche Vereinbarungen darüber, wer im Zusammenhang mit der Theateraufführung die Aufsicht über die Kinder führt, nicht. Nachdem das Kind zum Schadenszeitpunkt auch noch nicht wieder zu den Eltern zurückgekehrt war, wozu in der Regel das Wahrnehmen des Kindes durch die Eltern und die bewusste Aufnahme in den eigenen Verantwortungsbereich gehört, ist die Aufsichtspflicht beim Träger des Kindergartens verblieben. Dieser hätte dafür sorgen müssen, dass – etwa über eine entsprechende Ansage nach der Theateraufführung – alle Eltern ihre Kinder an der Bühne abgeholt hätten.

Allerdings liegt aus Sicht des Autors keine Verletzung der Aufsichtspflicht vor, da für die Mitarbeiterin der Einrichtung, die die Theatergruppe leitete, das konkrete Schadensereignis – nämlich dass Lukas über den Wasserschlauch stolpert und sich einen Zahn ausschlägt – nicht vorhersehbar gewesen sein dürfte. Die Geschehenskette, die hierzu führte, dürfte sicherlich außerhalb der Lebenserfahrung liegen.

Dagegen ist erneut von einer schadensursächlichen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Träger des Kindergartens auszugehen. Der 5-jährige Lukas ist über einen Wasserschlauch gestolpert, der für ihn nicht erkennbar am Boden zwischen den Tischen verlegt war. Nicht nur für Kinder, denen insoweit eine eher geringe Gefahrenwahrnehmung zu attestieren ist, sondern auch für Erwachsene dürfte es sich dabei um ein nicht vorhersehbares Hindernis handeln, auf das sie sich nicht einstellen mussten. Es ist durch die Rechtsprechung demzufolge auch anerkannt, dass bei öffentlichen Veranstaltungen Rohr- und Kabelleitungen so verlegt werden müssen, dass sie keine Gefahr für die Besucher darstellen. Dies geschieht idealerweise dadurch, dass diese Leitungen nicht im frei zugänglichen Bereich verlegt werden. Wenn dies unumgänglich ist, sind die Leitungen so zu sichern, etwa durch einen Kabelkanal o. ä., dass sie für Besucher nicht zur Stolperfalle werden können; zusätzlich ist auch an einen Warnhinweis, etwa durch eine Durchsage während der Veranstaltung oder eine Markierung zu denken.

Ein Mitverschulden des Kindes, etwa weil Lukas unachtsam zwischen den Tischen hindurch rannte, kommt nicht in Betracht, da nach §§ 254, 828 Abs. 1 BGB Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr keine Verantwortung trifft.

Fazit: Der Träger des Kindergartens haftet für den aus der Verletzung entstandenen Schaden und die damit zusammenhängenden Kosten einer zahn- oder kieferorthopädischen Behandlung sowie für ein evtl. Schmerzensgeld wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht.

Lassen Sie mich, als Ergebnis des vorhergesagten, folgende Tipps formulieren:

  1. Geben Sie schon im Vorfeld – etwa auf dem Einladungsschreiben – den konkreten und unmißverständlichen Hinweis, dass bei derartigen Veranstaltungen eine Aufsichtspflicht des Trägers der Einrichtung nicht besteht.
  2. Sofern geplant ist, während der Veranstaltung einzelne Kinder in Gruppen unter Leitung eines Mitarbeiters zusammen zufassen, kann auch ohne entsprechende Vereinbarung Aufsichtspflicht übernommen werden. Es sind dann klare Regelungen dafür zu treffen, wie und wann nach dem Ende der Gruppenaktion die Aufsichtspflicht wieder auf die Eltern zurückgeht. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass die Eltern gebeten werden, ihre Kinder bei dem Mitarbeiter abzuholen oder – allerdings mit einem gewissen Risiko – dadurch, dass erklärt wird, dass die Kinder jetzt wieder zu ihren Eltern zurückgeschickt werden und die Eltern dafür Sorge tragen sollen, dass die Kinder rasch wieder bei Ihnen ankommen.
  3. Informieren Sie sich über geltende Sicherheitsvorschriften für die Errichtung und den Unterhalt von Spielgeräten sowie die Einrichtung eines Veranstaltungsgeländes. Legen Sie verbindlich fest, welche Mitarbeiter für die Überwachung der Verkehrssicherheit während der Veranstaltung zuständig sind; legen Sie einer Kontrollanweisung fest, welche konkreten Gefahrenquellen innerhalb der Einrichtung regelmäßig kontrolliert werden müssen und dokumentieren Sie diese Kontrolltätigkeit.
  4. Überprüfen Sie Ihren Versicherungsschutz dahingehend, ob neben dem regelmäßigen Betrieb der Einrichtung auch die Durchführung einzelner Veranstaltungen, bei denen „Kindergarten-Fremde“ Personen teilnehmen können, umfasst ist.

Dann kann der Sommer kommen …

Literaturhinweise:

(1)       Der Fall ist – mit einigen Abwandlungen – dem Urteil des AG München vom 1.7.2005 (www.ag-m.bayern.de/presse) nachempfunden. Dort wurde das Mobiltelefon einer Besucherin von einem umstürzenden Biergartentisch zerstört.

(2)       Sicherheitsbereiche und stoßdämpfende Bodenarten

www.bayerguvv.de/download/uva301_13.pdf

(Bayer. Gemeindeunfallversicherungsverband)

(3)       Sichere Schulen und Kindertageseinrichtungen

http://www.bayerguvv.de/download/uva301_13.pdf

(Bayer. Gemeindeunfallversicherungsverband)

Handlungshilfe Spielplatzkontrolle

http://www.unfallkasse.bremen.de/pdf/hh_spielplatzkontrolle3.pdf

Unfallkasse Freie Hansestadt Bremen

(4)       Ungiftige kinderfreundliche Pflanzen für Gärten, Spielplätze und Schulen

http://www.gartengestaltung24.de/ungiftige-pflanzen.html

Pflanzenverwendung in Kindergärten

http://www.landwirtschaftskammer.de/verbraucher/service/pflanzenkindergarten.pdf

Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

(5)       Bundesgerichtshof, Urteil vom 2.7.1968, Az.: VI ZR 135/67

(in NJW 1968, 1874)